Reicht’s?

Frei aufspielen, die Kulisse genießen, dem Nachbarn zeigen, wer die Nummer eins in der Stadt ist, und hinterher zusammensitzen und sich bei einem Bier vertragen, die Punkte, die es zu verteilen gilt, einfach vergessen – was könnte ein Derby zwischen dem TuS Förbau und dem FCS schön und faszinierend sein, wenn es die Tabelle nicht gäbe…Sicher, vieles vom Genannten wird sich so abspielen, schließlich stehen sich am Freitag ab 18.30 Uhr zwar zwei Mannschaften, aber viele Bekannte, Freunde oder Arbeitskollegen gegenüber, die später am Abend womöglich noch miteinander weggehen, das Wochenende ist dann fußballerisch ja erst einmal weitgehend gelaufen. Und trotzdem werden alle Beteiligten in der Vorbereitung und am Spieltag selbst nicht an der Realität vorbeikommen und sich vergegenwärtigen, dass es nicht nur um einen Erfolg gegen den Ortsrivalen geht, sondern vor allem um drei eminent wichtige Punkte: der TuS könnte im Siegesfall zum richtigen Mittelfeld in der Kreisliga aufschließen, der FCS braucht die Zähler, um erst einmal Anschluss an das Mittelfeld insgesamt zu bekommen. Über die Förbauer muss man nicht zu viel schreiben, der Großteil der Spieler ist bestens bekannt; einige Akteure sollen aber doch etwas näher beleuchtet werden. Torwart Yasin Yilmaz kam aus Selbitz, ist ein guter Rückhalt und war schon Feldspieler, er konnte sogar ein Tor erzielen. Jonas Greim spielt jetzt konstant für den TuS, seine Erfahrung aus Würzburger Zeiten bringt er als Strippenzieher im Mittelfeld ein; dagegen ist ein weiterer Zugang, Routinier Andreas Heinrich, noch nicht in Erscheinung getreten. Einige Jugendspieler aus der JFG Schwarzenbacher Land kamen schneller zu Erfahrungen in der Kreisliga als gedacht und auch Gabriel Raub war unverhofft im Einsatz: Zugezogener aus München und Chirurg in Hof, nächster Halt Kreisligaspieler in Förbau, so schnell kann’s gehen. Dazu die Altbekannten wie Fabian Letfuß, Tim Andörfer, Nicolai Hauptmann oder Jonas Merz, die ein neuer Trainer zu einer Mannschaft zusammenfügt: Michael Gräf hat schon in seinem Heimatort Niederlamitz trainiert, aber auch bei der SpVgg Selb 13 oder zuletzt in Weißenstadt. Er würde gerne auf klare Strukturen und eine eingespielte Mannschaft setzen, steht aber vor den gleichen Problemen wie sein Schwarzenbacher Kollege Santiago Fraga da Silva – Woche für Woche muss der Kader umgebaut werden, die einen kommen dazu, die anderen fallen wieder weg, bei manchen entscheidet es sich kurzfristig, ob sie auflaufen können (und an einem Freitagstermin ist es erfahrungsgemäß noch etwas komplizierter). Ein klares Indiz dafür, dass die Dinge mittelfristig so nicht funktionieren können, ist der Blick auf die Tabelle und die Punkteausbeute, und zwar während des gesamten Jahres 2019: beide Vereine kamen mehr oder weniger auf der letzten Rille zum Ziel Klassenerhalt im Frühling, der FCS zehrte lange von einem Punktepolster, der TuS bäumte sich gerade noch rechtzeitig auf; jetzt haben die Förbauer schon häufig Moral und Kampfkraft bewiesen, sind in vielen Spielen zuückgekommen und liegen damit bei acht Zählern, die Schwarzenbacher haben es gerade einmal auf vier Punkte durch einen Sieg und ein Unentschieden gebracht. Und so muss man die Gelegenheit des Derbys vielleicht dazu absichtlich nutzen, um ein Tabuwort in den Mund zu nehmen: Zusammenarbeit. Die Puristen und Traditionalisten werden aufschreien, die heimlichen Befürworter womöglich nicken, doch ganz nüchtern betrachtet muss die Frage gestellt werden dürfen: wie lange kann sich Schwarzenbach noch drei Vereine leisten bzw. wie lange kann dieses System mit Erfolg durchgezogen werden, wie lange reicht’s denn zufriedenstellend für alle? Schon in den eigenen Reihen gibt es gemeinsame Teams – die Alten Herren wären alleine ohne Chance auf genügend Spieler, die JFG fängt auf, wer im Jugendbereich spielen will (und das sind teils wenig genug, siehe der Personalstand der B-Jugend und die daraus folgende Entwicklung) und bei den Kleinsten wird es mal auf der einen, mal auf der anderen Seite dünn, je nach Jahrgang und Sogwirkung. „Nur“ die Großen leisten sich den Luxus eigenständiger Mannschaften: FCS, TuS und FCM haben 1. Mannschaften im Spielbetrieb, Schwarzenbach mit Müh und Not eine eigene Reserve, der TuS arbeitet mit Oberkotzau zusammen und Martinlamitz hat gar keine 2. Mannschaft mehr. Die Spieler wechseln innerhalb der Stadt, der eine Verein profitiert, der andere wird geschwächt – wo soll die Entwicklung hinführen, wenn dann auch noch der finanzielle Wettbewerb mit anderen Vereinen um auswärtige Spieler dazukommt? Wie lange gibt es Derbys dieser Art noch auf Kreisliganiveau? Es sind sicher provokative Fragen und Thesen, doch Vereine aus der Nachbarschaft haben sie auch für sich beantworten: Kirchenlamitz und Niederlamitz haben fusioniert, der 1.FC Waldstein ist etabliert, in Münchberg wird wohl aus einst vier Vereinen bald ein einziger; der FC Rehau hat die Erzrivalen ASV und VfB zusammengeführt; und in der Kreisliga stehen die Vereine aus Arzberg vor der gleichen Problematik, der ASV Wunsiedel als Fusionsverein ist schon zehn Jahre alt, die SG Marktredwitz hat Wacker vergessen gemacht, und ohne die Hilfe aus Mitterteich gäbe es jetzt vielleicht keinen Fußball in Steinmühle mehr. Wie die Erfolgsaussichten eines gemeinsamen Teams, bestehend aus Akteuren aller drei Stadtvereine, wären, kann niemand seriös beurteilen, aber Lücken und Schwächen ließen sich einfacher beheben als jetzt; ein Stadtderby ginge möglicherweise verloren, aber Nachbarduelle, die teils seit Jahrzehnten nicht gespielt wurden, wären denkbar. Denn was gibt es für einen Fußballer Schöneres als frei aufzuspielen, eine große Kulisse zu genießen, den Nachbarvereinen zu zeigen, wer die Nase vorn hat und nach dem Spiel ganz frei von Druck miteinander ein Bierchen zu trinken…