Die Rote Karte, über die alle diskutierten

Am Ende war ein trockenes Plätzchen wichtiger als der Blick auf das Spielgeschehen: der Regen hatte etliche Besucher des Nachbarderbys zwischen dem 1.FC Schwarzenbach und dem 1.FC Martinlamitz vertrieben, aber viel zu sehen gab es in den letzten Minuten sowieso nicht mehr in einer Partie, die längst entschieden war, weil der Tabellenführer mit 6:1 in Front lag. Dass das Ergebnis so deutlich ausfiel, war allerdings lange Zeit nicht absehbar.
Nach 20 Minuten war es auf dem Schwarzenbacher Fußballplatz mit der Stille und Zurückhaltung endgültig vorbei, die noch bis zum Anpfiff geherrscht hatte. Die Schweigeminute für den verstorbenen ehemaligen Martinlamitzer Trainer Jörg Käferstein wollte niemand stören, es war zu spüren, dass vielen die Todesnachricht immer noch nahe ging. Seine einstigen Schützlinge legten dann als Erste die Vorsicht ab, die solche besonderen Spiele oft mit sich bringen. Ohne große Stationen im Mittelfeld sollte der Ball nach vorne laufen und Stoßstürmer Adolph erreichen, was in der 7. Minute gleich bestens funktionierte: ein Ballgewinn des FCM landete bei Haidvogl, der spielte steil auf Adolph, dem drei Schwarzenbacher nicht ganz folgen konnten, und Torwart Becher hatte keine Abwehrchance. Ein Fehlstart für den Favoriten, der mit den Derbys in dieser Saison bislang doch sehr fremdelte und der ein bisschen Glück hatte, dass Roßner kurz darauf knapp vorbei zielte (13.). Dann folgte die Szene, die Stimmung und Spiel komplett kippen ließen. Der FCS hatte sich endlich gefangen, die Außenspieler wurden häufiger eingesetzt; als Bertl auf der linken Seite zum Sprint ansetzte, kam Karger angerauscht und foulte ihn, weil er einfach um eine Winzigkeit zu spät dran war. Der Martinlamitzer Kapitän entschuldigte sich auch sofort bei Bertl und wartete auf die Reaktion von Schiedsrichter Maisel (Mistelgau). Wie alle Gäste war auch Karger überrascht und entsetzt, als dieser eine glatte Rote Karte zeigte (20.). War sie tatsächlich gerechtfertigt? Ganz schwer zu sagen, einerseits war es Kargers erstes Foul und von der Seite, andererseits kam er mit hohem Tempo an und konnte den Ball eben nicht mehr erreichen. Alle Proteste halfen nichts, der FCM musste zu zehnt spielen und sich komplett umstellen. Ab diesem Moment warteten zwei dichte Ketten auf die Hausherren, Adolph stand allein auf weiter Flur und musste teilweise bis ins Mittelfeld rutschen. Die Grün-Weißen hatten jetzt natürlich gefühlt 80% des Feldes und des Ballbesitzes auf ihrer Seite, aber sie machten vorerst nichts daraus. Denn es zog sie erst einmal dorthin, wo schon jede Menge Spieler warteten, in der Mitte war aber kein Durchkommen. Nur allmählich wurde die Martinlamitzer Defensive auseinander gezogen, um Lücken zu schaffen, die erste richtig gute Gelegenheit vergab Fröhlich nach einer Flanke von Mikuta (35.). Als Kapitän Raimund Wohn dann mit seiner Übersicht den Ballverteiler gab, wurde es für die Gäste deutlich brenzliger; einen solchen genauen Pass schickte er auf den gestarteten Anders, der von halblinks frei vor Bachstein zum Abschluss kam und ausgleichen konnte (39.). Die jetzt bröckelnde gelb-schwarze Wand rettete sich noch in die Pause, was folgte, war aber abzusehen: der FCS nutzte die Zeit in der Kabine, um sich zu positionieren und sich auf seine Stärken in einer solchen Situation zu besinnen. Die Außen blieben ständig aktiv, der zwangsläufig vorhandene Raum wurde immer besser genutzt und es ergaben sich immer öfter Möglichkeiten zum Abschluss. Die Gastgeber verzettelten sich nicht mehr so oft, sondern handelten konsequenter und schneller, bestes Beispiel war Fröhlich bei seinem 2:0 (52.): in der 1. Hälfte wollte er es oft zu schön machen, diesmal hielt er einfach mit seiner Kraft und Technik drauf, weil er die Lücke erkannte. Einige Minuten und einige zaghafte Konter lang hielten die Martinlamitzer Hoffnungen auf eine Überraschung noch, dann machte Mikuta zweimal kurzen Prozess, einmal auf Vorlage von Wohn (62.) und einmal nach einem starken Alleingang von Luber, der hinten nicht mehr viel zu tun hatte. Das war es dann gewesen, die personellen Möglichkeiten des FCM sind in dieser Saison einfach nicht groß genug, um den Favoriten in der Kreisklasse dauerhaft Paroli bieten zu können. Die Heimelf ließ ihre Überlegenheit in Sachen Tempo und Technik erkennen, begnügte sich aber mit zwei weiteren Treffern. Die aber waren immerhin noch ganz besondere, denn den Endstand besorgte mit Firat Özten ein kurzfristiger Neuzugang in seinem ersten Heimspiel für Schwarzenbach (85.) und dem, der an der entscheidenden Szene des Spiels beteiligt war, gelang das schönste Tor des Tages – Bertl traf volley nach einem Lupfer von Wohn über die Abwehrspieler (71.). Es kam also irgendwie alles wie erwartet, aber selbstredend lautete die meistgestellte Frage nach dem Spiel: Und was, wenn in der 20. Minute nicht…?
Die Aufstellungen: FCS: Becher – Luber, Saalfrank, Scharrer – P. Fuchs, Wohn, Linke, Fröhlich (M. Fuchs, Özten) – Bertl, Mikuta, Anders (Haas); FCM: Bachstein – Patzer, Karger, Schmidt, Fischer – Roßner, Alhassan, Haidvogl, Merz, Klein (Wagner, Sarikaya) – Adolph.