Eine gute Hälfte reicht nicht

Abpfiff des Nachbarderbys zwischen dem 1.FC Schwarzenbach und dem VFC Kirchenlamitz: der FCS hat ein emotionsgeladenes, hektisches und abwechslungsreiches Nachbarduell mit 2:0 gewonnen. Die Zuschauer klatschen, doch die Spieler sitzen enttäuscht auf dem Boden oder auf der Bank. Passt nicht zusammen? Doch, diese Eindrücke passen sehr wohl zusammen, denn sie sind im wahrsten Sinne des Wortes nur die halbe Wahrheit: sie beziehen sich auf die zweite Hälfte des Spiels, doch die erste haben die Schwarzenbacher mit 0:3 verloren und auch kein Derbygefühl aufkommen lassen. Weil sie nur 45 Minuten lang zeigten oder zeigen konnten, was ihnen steckt, geht auch das dritte Heimspiel in Serie an den Gegner und befördert die Grün-Weißen vorläufig auf den letzten Tabellenplatz in der Kreisliga Süd.

Von einem Derby war bis zur Pause reichlich wenig zu spüren, im Gegenteil, in vielen Szenen kam das Gefühl eines Freundschaftsspiels auf. Zu deutlich war der Unterschied zwischen FCS und VFC, zu aussichtslos schien die Situation beim Halbzeitpfiff für die Gastgeber. Und es war dazu nicht einmal eine Demonstration der spielerischen Stärke von Seiten der Kirchenlamitzer nötig, es reichte ihnen, den Ball in Ruhe zu kontrollieren, ihre Stürmer im richtigen Moment anzuspielen und so die Schwarzenbacher in größte Verlegenheiten zu stürzen. Mit Sicherheit hatten sich die Saalestädter viel vorgenommen, aber die prekäre Lage steckte in den Köpfen und das Bewusstsein, dass jeder Fehler diese Lage noch verschärfen könnte. Und alle guten Vorhaben waren nach fünf Minuten komplett über den Haufen geworfen, als sich Becher und Saalfrank nicht einig waren, wer den Ball sichern sollte und Weiß damit leichtes Spiel hatte, um die Führung für den VFC zu erzielen. Was folgte, ist am besten wohl mit „lähmendem Entsetzen“ beschrieben: jede Aktion, jeder Schritt wirkte unsicher und vor allem deutlich gehemmter als beim Gegner, der nur auf weitere Fehler warten musste, die auch prompt kamen. Auch vor dem 0:2 ging der Ball viel zu schnell verloren, Amidovic stand parat und traf punktgenau aus gut 18 Metern unten rechts (22.). Alle paar Minuten eröffneten sich den Kirchenlamitzern Möglichkeiten, die beste hatte Popp, der eigentlich nur noch einschieben musste, aber an Becher scheiterte, der einen erstklassigen Reflex zeigte (25.); aus einem ruhenden Ball machte er später mehr und erzielte den dritten Treffer der Gäste per Freistoß (40.), auch da wirkte die Abwehr des FCS nicht sattelfest. Die eigenen Versuche und das Bemühen waren da, aber oft in Einzelaktionen zu sehen, die nicht überlegt genug abgeschlossen wurden und schon gar nicht das Ziel, Torwart Lauterbachs Kasten, in Gefahr brachten. Also, alles durch und eine zweite Hälfte nur zur Schadensbegrenzung? Was auch immer in der Kabine gesprochen wurde, es muss gefruchtet haben, und eine Entscheidung wurde definitiv gefällt: Kapitän Raimund Wohn wurde eingewechselt. Er kämpft mit Knieproblemen und ist nicht schmerzfrei, aber er war an diesem Nachmittag genau der Spieler, den die Mannschaft brauchte. Im Wortsinn gab er den Ton an und der Mannschaft die nötigen Anweisungen, um doch noch irgendwie in die Partie zurückzufinden. Dass es nicht immer harmonisch zuging, mag sein, aber das Team brauchte und braucht den Chef in diesen Wochen, und er geht mit Leistung voran. Zweite wichtige Einwechslung war die von Patrick Bertl, der nach Oberschenkelproblemen wieder fit war und Zug auf die rechte Angriffsseite brachte. Er muss zwar noch lernen, dass er es jetzt mit Verteidigern zu tun hat, die Aktionen wie seine Tempoläufe schon oft erlebt haben, aber mit seiner Unbekümmertheit kann er andererseits auch viele Gegenspieler vor Probleme stellen. Mit den Bertl-Brüdern auf den Flügeln und Wohn als Angriffsfixpunkt in der Mitte liefen alte Muster im Spiel plötzlich viel leichter und selbstverständlicher ab, die komplette Elf wirkte stabiler und energischer und schaffte es, den VFC unter Druck zu setzen. Die Mannschaft von Trainer Lauterbach war vielleicht schon zu siegessicher und kam mit dem Druck nicht klar, jetzt wurden die Aktionen der Kirchenlamitzer hektischer und ungenauer. Immer wieder konnten die Schwarzenbacher Flanken schlagen oder abziehen und für Gefahr sorgen; es ergaben sich Lücken in der Abwehr der Gäste, eine davon fand ein Pass aus dem Mittelfeld, der Wohn erreichte, der dann am energischsten nachstocherte und das 1:3 erzielte (74.). Hoffnung kam auf, weil der FCS jetzt überlegen war, aber es wäre bei einem Strohfeuer geblieben, wenn der VFC nicht im Gegenzug dreimal innerhalb weniger Sekunden an Becher oder einem Abwehrspieler gescheitert war. Die Platzherren drängten weiter, sie holten mehrere Ecken heraus, eine davon brachte den Anschlusstreffer, als Lichtblau den Ball von Sebastian Bertl ins eigene Netz köpfte (79.). Eines Derbys würdig ging es jetzt hoch her, Schwarzenbach versuchte mit großem Ehrgeiz und manchmal zu viel Gewalt, den Ausgleich zu erzielen, Kirchenlamitz nutzte jede Gelegenheit, um Zeit von der Uhr zu nehmen. Am Ende reichte es für den VFC zu einem glücklichen, aber insgesamt verdienten Sieg, während sich der FCS darüber ärgern muss, erneut nicht chancenlos, aber zu unbeständig in seiner Leistung gewesen zu sein.

Die Aufstellung: Becher – Scharrer, Luber, P. Fuchs, Saalfrank (Jung) – Löffler, Linke, Barthold, Hofmann, S. Bertl  (Wohn)– M. Fuchs (P. Bertl).